Religiöses Brauchtum zu Fronleichnam
Das Fest Fronleichnam am Donnerstag, 16. Juni 2022, feiern die katholischen Gemeinden in Bietigheim-Bissingen gemeinsam am Dreschschuppen am Viadukt ab 9.30 Uhr. Über das religiöse Brauchtum zu Fronleichnam informiert Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti auf pfarrbriefservice.de:
In der Reformation wurde Fronleichnam zu einem konfessionsscheidenden Merkmal. Luther bezeichnete Fronleichnam 1527 als „allerschädlichstes Jahresfest”. Ihm fehlte die biblische Grundlegung, Prozessionen galten ihm als Gotteslästerung. Das Konzil von Trient (1545 – 1563) bestätigte das Fronleichnamsfest, das nun einen demonstrativen Akzent bekam: Mit großem Aufgebot und Aufwand zeigten die Katholiken ihren Glauben. Subdiakone, Diakone, Priester, Nonnen, Mönche und Messdiener zogen mit Fahnen, Schellen und Weihrauch, begleitet von den Honoratioren und Erstkommunikanten, Gruppen von Frauen und Männern, geordnet nach Ständen, Verbänden, Bruderschaften und Vereinen. Betend und singend begleiteten sie durch festlich geschmückte Straßen das Allerheiligste.
Untergegangen sind fast überall die „lebenden Bilder”, die Teil der Fronleichnamsprozessionen waren: Kain und Abel, der Durchzug durch das rote Meer, Szenenbilder aus dem Alten und Neuen Testament gingen mit in der Prozession. Der „Drachenstich” in Fürth im Wald gibt heute noch einen Eindruck damaliger Formenvielfalt. Die Straßenränder waren durch Maien geschmückt, in den Eingängen und Fenstern der Häuser hingen Fahnen und Teppiche. Heiligenfiguren und Kreuze waren durch Blumen Mittelpunkte des häuslichen Schmuckes.
Einzelne Orte legten Blumenteppiche, über die das Allerheiligste geführt wurde. Einzelne Orte sind berühmt für ihre Kunstfertigkeit, mit der sie Blumenbilder herstellen: in Deutschland Hüfingen an der Baar, in Italien Genzano di Roma und Bolsena, auf Teneriffa La Orotava. Diesen Brauch scheinen die Franziskaner besonders gefördert zu haben. Von ihnen stammt der Gedanke: Die Armen, die Gott liebt, streuen Blumen, über die Gott wie über einen Teppich schreitet. Besonders prächtig geschmückt waren auch die vier Stationsaltäre, an denen die Prozession anhielt – mobile Altaraufbauten oder Kapellen oder Wegkreuze. … Die Prozession endet mit einem feierlichen Gottesdienst, an dem alle teilnehmen.
Übrigens gibt es die Fronleichnamsprozession nicht nur für Fußgänger. Nicht nur am Chiemsee und auf dem Staffelsee bei Murnau und in Köln („Mülheimer Gottestracht”) gibt es zu Fronleichnam Schiffsprozessionen. …
In Bayern nannte man Fronleichnam auch ein wenig spitz Hoffarts- oder Prangertag. Die Mädchen bekamen neue weiße Kleider zum „Prangen” bei der Prozession. Sie schmückten sich mit Kränzen aus segensbringenden Kräutern. War die Prozession beendet, wurden Jungfernnudeln und Jungfernschmarrn (Schmalzgebackenes) serviert, ein Essen, zu dem sich die männliche Jugend, wie die Motten zum Licht, ersehnterweise schnell einfand. Prangerstauden hießen die Sträuße aus Blumen, Blättern und Zweigen an den vier Stationsaltären. Sie kamen nach der Prozession zum Palmbusch in den Herrgottswinkel oder man flocht sie in einen Pranger- oder Antlasskranz, der den Kindern vor einem Altar aufgesetzt wurde. Der Kranz sollte Segen und Gesundheit bewirken. …
© Prof. Dr. theol. Manfred Becker-Huberti, Köln; www.brauchtum.de
Bild: Klaus Herzog
In: Pfarrbriefservice.de